Familien
Gottsleben/Gottesleben/Gottleben
aus Mitteldeutschland
Südliches Niedersachsen,
nördliches Hessen und westliches Thüringen
Herkunft der Familie
Gottsleben/Gottesleben/Gottleben
Herkunft der Familie
Gottsleben/Gottesleben/Gottleben
Der ursprüngliche personale Kern der
Familie Gott(e)sleben/Gottleben hat sich im 14. bis 16. Jahrhundert
in Mitteldeutschland herausgebildet. Im Raum südliches Niedersachsen,
nördliches Hessen und westliches Thüringen haben sich aus einer Gruppe von
Personen die einzelnen Linien der Gott(e)sleben/Gottleben entwickelt, die wir bis heute nachweisen können.
Aus dem Dunkeln der Geschichte tritt der
Bei- bzw. Familienname Gott(e)sleben/Gottleben erstmals 1320 mit Hartmannus
Goddeleve im ältesten Bürgerbuch der Stadt
Hannover. Einige Jahre später finden wir
1359 in
einer Schlichtungsurkunde zwischen dem südlich von Kassel gelegenen
Zisterzienser-Kloster Haina und Ritter Gumpracht
Vogt (Foid) von Geismar (Geysmar) einen weiteren Hinweis auf den Namen
Gott(e)sleben/Gottleben. In der Urkunde verzichtet Ritter Vogt auf Ansprüche der in
seinem Gericht Geismar gelegenen Güter, Nutzungen und Rechte des Klosters Haina
und dessen Gotteslehen (gotslehin) genannten, in den Wirtschaftshöfen des
Klosters lebenden Leute.
Danach taucht unser Name 1434 im Urkundenbuch der
Stadt Quedlinburg (Thomas
van Gotleben; auch eingetragen als Thoman von Goclieb) auf.
Siebzig Jahre später
wird 1503, 1508 und 1516 in den Urkundenbüchern der Klöster von Eschwege
ein im obereichsfeldischen Geismar ansässiger Altermann Hans Gotzleben (auch
Gotslebben und Gottisleben geschrieben) erwähnt. 1512 finden wir in
Allendorf an der Werra
den urkundlichen Nachweis eines Claus Gotsleben.
1571 erfolgt die
Aufnahme des Turmwächters (Turmplaser) Hans Gotleben aus Staßfurt (Stasfurt) in
den Besoldungsstaat Ludwig des Älteren, Landgraf in Oberhessen. Und 1575/80 finden
wir in den Rechnungsbüchern derer von Boyneburg-Honstein die im eichsfeldischen
Motzenrode ansässigen Anna Gotslebin und
Melchior Gotsleben. Unweit der Ortschaft Kutzleben, Kreis Weissensee,
ist im Eichsfeld, im südlichen Niedersachsen und im nördlichen Hessen bis ins ausgehende 19. Jahrhundert der
Familiennamen Gott(e)sleben sehr verbreitet.
Kloster Haina, um 1605
Doch wie ist es zu dem Familiennamen Gott(e)sleben/Gottleben
gekommen? Wir
wissen, dass in Deutschland die Verwendung des heute als Familienname
bezeichneten Eigennamens erst im 12. Jahrhundert einsetzte. Die Entfaltung
des Wirtschaftslebens, die starke Binnenwanderung im Mittelalter und der
Zustrom bäuerlicher Schichten in die Stadt führten dazu, dass ein
beträchtlicher Teil der zahlreichen städtischen Neubürger zur namentlichen
Unterscheidung einen Bei- bzw. Familiennamen nach ihrer Herkunft
erhielten. Solche Namen konnten aber auch auf Grund eines nur zeitweiligen
Aufenthaltes in einem bestimmten Land bzw. Ort, nach Handelsbeziehungen in
die Fremde oder nach sprachlichen Eigentümlichkeiten vergeben werden.
Nach Aussagen renommierter Namensforscher ist der Familienname Gott(e)sleben ein
Herkunftsname und in diesem Zusammenhang wird der Ort Kutzleben in Thüringen
genannt. So ist die Annahme nicht auszuschließen, dass Personen aus Kutzleben, die im späten Mittelalter sich in einer Stadt niederließen, ihren
Eigennamen nach ihrer Herkunft aus Kutzleben erhielten. Der Ortsname Kutzleben
taucht in den ältesten uns bekannt gebliebenen Urkunden als Cuceslebo,
Cuczeleiben, Coczeleibin, Kottenleibn und Gozzenlebo auf und wird in den
Urkunden späterer Jahrhunderte auch Kozeleibin, Cucceleiben, Cuzcleibin,
Kuczeleiben, endlich Kutzeleibin und Kutzleben geschrieben.
Wie der Ortsname
Kutzleben wurde auch der Familienname
Gott(e)sleben/Gottleben lange nicht in der heute bekannten Form
geschrieben. Wir finden unter vielen anderen Abweichungen unseren Namen
geschrieben als Goddeleve (auch Godeleve), van Gotleben (auch von Goclieb), Gottsleb, Gotslebius (latinisierte Form von Gottsleben,
auch Theobius), Gotsleben,
Gotslebben,
Gotzleben,
Gottisleben und Gottlebe. Diese Varianten des Namens kamen dadurch
zustande, dass Personenstandsaufzeichnungen bis zur Einführung der staatlich geführten
Standesamtsregister meist vom Pfarrer vorgenommen wurden. Bis etwa 1876 wurden die
Familiennamen dann oft »nach Klang« oder »Lust und Laune« des jeweiligen Pfarrers in die Kirchenbücher eingetragen. An solchen Änderungen hat niemand Anstoß genommen, da
die Schreibweise des Familiennamens für die Betroffenen eigentlich ohne jede Bedeutung
war.
Die Familie,
Geschichte
Im
Lauf der Jahrhunderte hat sich das Familienbild stetig verändert. Doch was
zu welcher Zeit in welchem Kulturkreis unter dem Begriff Familie
verstanden wurde, ist sehr unterschiedlich. Nach heutigem Verständnis ist
eine Familie zunächst nur die Zwei-Generationen-Kernfamilie, also Vater,
Mutter, Kinder. Zu anderen Zeiten gehörten auch Großeltern, Geschwister,
Tanten, Onkeln und so weiter zur Kernfamilie. Unterschiedliche
Verwandtschaftsgrade, mütterliche oder väterliche Herkunft spielten bei
der Definition eine Rolle. Auch eine Wirtschaftseinheit wurde oftmals als
Familie verstanden – etwa alle Personen, die auf einem Bauernhof
arbeiteten und lebten.
Im späten
Mittelalter und der frühen Neuzeit bestimmten die Zünfte, deren Mitglieder
gleichzeitig Handwerker und Gewerbetreibende waren, das wirtschaftliche
Leben der Städte. Streng regelte die Zunftorganisation das vielgliedrige
Gefüge dieser Produktions- und Verkaufsunternehmen, in denen die
Meisterfrauen ihren festen Platz einnahmen und in die die Kinder
unmerklich spielend und lernend hineinwuchsen. Lehrjunge, Geselle und
Dienstmagd ordneten sich gleichfalls in diesen gemeinsam wirtschaftenden
Verband der »Haushaltsfamilie« ein.
Die Haushaltsfamilie verstand sich als
Produktionsgemeinschaft, als Besitzer und Nutzer der Produktionsmittel.
Hausvater und Hausmutter standen diesem Gemeinwesen vor und organisierten
die Haushaltsführung als einen Wirtschaftsverbund. Das lateinische
»familia« trat sprachlich erst seit dem späten 16. Jahrhundert auf,
zunächst in der lateinischen Wortform – und ebenfalls in der lateinischen
Bedeutung von »Hausgenossenschaft«, zu der auch der »famul(us)«, der
Diener und Schüler, gehörte. In der Familie als Produktionsgemeinschaft
stand das Gefühl nicht an der ersten Stelle im familiären Wertsystem.
Stets hatte es sich dem Hausinteresse im verpflichtenden Sinne der
wirtschaftenden Gemeinschaft zu beugen. Das galt für alle individuellen
Entscheidungen, besonders für Ehepartner- und Berufswahl, bei denen sich
Rationalität und Sentimentalität im besten Falle vereinen konnten oder
aber das Gefühl selbstverständlich zurücktreten musste.
In seinem Haus hatte der Vater der Familie
das Sagen – sein Wort hatte innerhalb seines Haushaltes Gesetzeskraft. Der
Haushaltsvorstand vertrat die Familie nach außen, er nahm öffentliche
Ämter wahr und bestimmte. Die Häuser hatten eine besondere Rechtsstellung,
die das Oberhaupt des Haushaltes ausübte – eine Hauseinheit wurde nicht
mit einem Familiennamen, sondern mit einem Hausnamen bezeichnet, der auch
in vielen Ortschaften das Haus von außen kennzeichnete.
Die Zuständigkeit der Frauen war nach innen
gerichtet: Organisation des Haushaltes, Erziehung der Kinder, aber auch
Mithilfe im Familienbetrieb. Die Hausfrauen gebaren
damals viele Kinder. Aber nur wenige erreichten aufgrund der schlechten
hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen das Erwachsenenalter. 20
Geburten im Verlauf einer Ehe waren keine Seltenheit. Neigungs- oder
Liebesehen kamen nur zustande, wenn sie in die Hausgemeinschaft passten
und zu ihrem Bestand beitrugen.
Erst ab Ende des 17. Jahrhunderts wurde der
Begriff Familie aus dem Französischen kommend allmählich in die deutsche
Alltagssprache übernommen. Anfangs war er noch gleichbedeutend mit dem
älteren Begriff Haus. Erst später bezeichnete er die engere Einheit der sogenannten Kernfamilie oder die weitere soziale Einheit im Sinne der
Verwandtschaft. Der neue Begriff bezeichnet das mit dem Aufstieg des
Bürgertums sich durchsetzende Ideal der Bürgerlichen Familie, d. h. der
Kernfamilie und ihrer Einbettung in Abstammungs- und
Gefühlsbeziehungen. Zur Kernfamilie gehörten auch Großeltern, Geschwister,
Tanten, Onkeln und so weiter.