Hans Joachim Gottsleben
1921-1984
Oberleutnant,
Kaufmann, Küchenchef
Hans Joachim Gottsleben
(um
1950)
Kurzvita,
aufgeschrieben von Hans
Joachim Gottsleben
Geb. 15. Juni 1921 in Glüsingen (Lüneburger Heide), Vater:
Bruno Paul
Gottsleben, Mutter: Elisabeth, geb. Schreiber /
Ober-Real-Gymnasium (Braunschweig) / Fähnleinführer im Jungvolk / Während der
Schulferien: Arbeiter in Konservenfabriken, Restaurants, Weinbergen (Mosel),
Rittergut Edelinghof (Dortmund) / Kriegfreiwilliger 1939 / Frankreichfeldzug -04
480-, Balkanländer, Afrikakorps / Sewastopol und Stalingrad / Oberleutnant
(Heeresartillerie) Ende 1944 / Heimkehr Juni 1945 ins zerstörte Großdeutsche Reich
/ Verladearbeiter (Stuttgart) / Versicherungskaufmann / Zeitungsreporter /
Schriftsteller HAJO GOTEN / Jurastudent / Bauarbeiter und Staplerfahrer /
Holzkaufmann / Auswanderung: Holzfäller in Canada 1950 (Vancouver-Island) / Goldgräber im
Bergwerk 'Pioneer' (British Columbien) / Bergmann im Kemano/Kitimat-Projekt
(Alaska) / Dishwasher in San Francisco, Hollywood, Chicago, New York / Werbefachschule 1954/55 (Hamburg) / Allround-Cook in Las Vegas
1956 / Börsenmakler
in Californien / Bartender im Hotel Ambassador (Beverly Hills) /
Public-relations-Helfer für die Wahlkampagnen von John F. und Robert Kennedy
1960 und 1968 / 1. Oktober 1965 Geburt der Tochter Carolyn A. in Los Angeles / Küchen-Chef (1960-1970) des Los Angeles-Hilton / Nach 25 Jahren
Globetrotter Rückkehr in die Heimat 1970 / Lagerist in Heppenheim / Koch im
Kaufhaus Horten / Sachbearbeiter beim Arbeitsamt Stuttgart / Gescheiterte Ehe
nach 18 Jahren ('broken dreams') / Nervenklinik Stuttgart 1971 / Gärtner und
Waldarbeiter / Industriekaufmann 1972. -
Hans
Joachim Gottsleben starb 1984 in Sersheim bei Stuttgart und wurde in der
Grabstätte der Familie Bengel in Stuttgart-Münster, in der auch seine Tante Emmy
Schreiber liegt, bestattet.
Zeitungsberichte
In
seiner Kurzvita verschweigt Hans Joachim Gottsleben, dass er nach
dem Krieg in der Tradition der Deutschnationalen Volkspartei politisch
aktiv war. Die Associated Press meldete am 30. Dezember 1949: »Die
Deutschnationale Volkspartei wird wieder entstehen. Der 28jährige
Schriftsteller Hans Joachim Gottsleben erklärte in einem Interview, die
DNVP werde wegen ihrer früheren ›gewaltigen Anhängerzahl‹ bald großen
Einfluß gewinnen und d i e deutsche Rechtspartei werden. Alfred Hugenberg
und Dr. Schacht hätten ihre ideelle Unterstützung zugesagt. Im kommenden
Frühjahr will die Partei bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen zum
erstenmal antreten«. Vgl. Hamburger Abendblatt 2 (1949), Nr. 205 (30.
Dezember), S. 2.
Am 5. Januar 1950
wird Hans Joachim Gottsleben als Führer der Deutschnationalen in der Süddeutschen
Zeitung genannt (»Erklärte Hans Joachim Gottsleben, der Führer der
Deutschnationalen ...«). Nach Mitteilung der Deutschen Presse-Agentur vom
2. März 1950 kam es bei einer der Parteiveranstaltungen zum Streit
zwischen den Gründungsmitgliedern: »Düsseldorf, 2. März: Zu
erregten Auseinandersetzungen kam es auf einer Zusammenkunft in
Düsseldorf, auf der der westdeutsche Vorstand der Deutschnationalen
Volkspartei (DNVP) gebildet werden sollte. Der Initiator der
Wiedergründung, Hans-Joachim Gottsleben, griff Dr. Louen von der
›Gemeinschaft unabhängiger Deutscher‹ (GUD) heftig an, der von ihm den
Auftrag erhalten hatte, die DNVP in Nordrhein-Westfalen aufzuziehen. In
Gegenwart der Presse warf der 28jährige Gottsleben Dr. Louen vor, er
glaube wohl, einen ›jungen Spund‹ vor sich zu haben, mit dem er anfangen
könne, was er wolle. Dr. Louen habe den Beschluß der ersten
Parteiversammlung in Bochum nicht beachtet, wonach die echten alten
Deutschnationalen und sonstigen interessierten Kreise und vor allem die
Jugend für die Partei gewonnen werden sollten. Gottsleben zog dann den Dr.
Louen erteilten Auftrag zurück. Darauf Louen: ›Nee, nee, mein Lieber, so
geht das nicht! Vertrag ist Vertrag.‹ Er drohte, alle Unterlagen der
vorhergegangenen Besprechung zu veröffentlichen, an der die Presse nicht
teilgenommen hatte. Ein greiser früherer Anhänger der DNVP meinte: ›Ich
bin wohl der Senior der Versammlung und muß feststellen, daß wir uns
unsterblich blamiert haben. Man sollte meinen, man hat mit Kindern zu
tun.‹ In den späten Abendstunden kam es dann doch noch zu einer Einigung.
Ein Aktionsausschuß wurde gebildet, dem Gottsleben und Louen angehören.
Nach 17jährigem Verbot werde die Deutschnationale Volkspartei in Kürze mit
neuen Zielen an die Öffentlichkeit treten, wurde erklärt.« Vgl. Hamburger
Abendblatt 3 (1950), Nr. 52 (2. März), S. 2. - »Auf einer Tagung der
Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) in Düsseldorf wird der bisherige
Bundesvorsitzende Joachim Gottsleben wegen betrügerischen Vergehens
einstimmig aus der Partei ausgestoßen. Die Geschäftsführung der DNVP im
Bundesgebiet übernimmt der ehemalige Landesvorsitzende von
Nordrhein-Westfalen Dr. h.c. Louen.« Vgl. Europa-Archiv. Zeitgeschichte,
Zeitkritik, Verwaltung, Wirtschaftsaufbau ; Halbmonatsschrift der Deutschen
Gesellschaft für Auswärtige Politik. Bonn, Bd. 5, Teil 1 (1950), S. 2973,
auch S. 2778 u. 3055.
Neben seinen
Aktivitäten bei den Deutschnationalen gründete Hans Joachim Gottsleben im Frühjahr
1950 mit ehemaligen Wehrmachtsoffizieren einen neuen »Stahlhelmbund der
Frontsoldaten«. »Die Zeit« meldete in der 16. Woche 1950: »Der ›Stahlhelm‹
wurde von dem Vorsitzenden der Deutschnationalen Volkspartei, Gottsleben,
als Frontkämpferbund neugegründet. Ein Sprecher der britischen Hohen
Kommission teilte mit, daß man diese Vereinigung verbieten werde, falls
sie sich als militärisch herausstellen würde« und »Der Spiegel« 16/1950
vom 20. April 1950, Seite 3 schrieb: »Joachim von Gottsleben legte den
Stahlhelm fürs erste ins Spind zurück. Der Vorsitzende der
Deutschnationalen Volkspartei erklärte, wegen der kurztretenden
›Bruderschaft‹ müsse die für diese Woche angesetzte Gründungsversammlung
des ›Stahlhelm‹ verschoben werden. Dies trotz des ›außerordentlich großen‹
Interesses der Öffentlichkeit. - Inzwischen kündigten auch die Bonner
Oberkommissionare genaueste Prüfung des neu aufzupolierenden ›Stahlhelm‹
und der Deutschnationalen Volkspartei an. Ein militaristischer Stahlhelm
werde verboten. - ›Versöhnung mit allen Frontkämpfern der ehemaligen
Feindmächte und energische Ablehnung eines neuen Krieges‹ hatten die Aufpolierer vorsorglich der Neuauflage von Franz Seldtes 1919er Männerbund
ins Geburtsregister schreiben wollen.« Theodor Duesterberg, Oberstleutnant
im 1. Weltkrieg, 1924 Mitbegründer des deutschnationalen »Stahlhelms« und
1932 im ersten Wahlgang Reichspräsidentschaftskandidat der
Deutschnationalen, distanzierte sich jedoch von der Neugründung. Vgl.
Internationales Biographisches Archiv 44/1950 vom 23. Oktober 1950.
Die
britische Oberkommission beobachtete die von Hans-Joachim Gottsleben
geplante Wiederherstellung des Stahlhelmbundes, die im Zusammenhang mit
der Bruderschaft der Offiziere erfolgen sollte. Hierzu erklärte General
Bishop: »Ich habe bis zum Augenblick noch nicht genügend Beweise gesehen,
die es notwendig machen würden, gegen eine solche Neugründung vorzugehen.
Ein Verein mit den Statuten des alten Stahlhelms ist natürlich unmöglich.«
Anmerkung: Der reaktionäre »Stahlhelm, Bund der
Frontsoldaten« wurde im November 1918 gegründet. Seit 1929 gehörte er mit
den Nationalsozialisten und Deutschnationalen zur »Nationalen Opposition«
der Harzburger Front. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme
wurde der »Stahlhelm« 1933 in die SA überführt.
Zur Zeitgeschichte, zum Aufleben der Rechtsparteien und des Revanchismus vgl. auch
A) Renaud de Jouvenel: La guerre des mercenaires.
Paris:
Editeurs Français Réunies, 1952 (Kapitel V Le bourbier allemand, hier S.
54 f.): « Les
journaux annonçaient, en septembre 1951, que toutes les associations de
combattants allemands fusionnaient en un groupement unique. En y regardant
de plus près, on s'aperçoit qu'il s'agit d'associations de nazis, exaltant
l'esprit de revanche. Il y a là le B.V.W. ou Ligue des Soldats Allemands
( 85.000 membres, Président: l'Amiral Gottfried Hansen ) ; le Schutzbund ou
Ligue de protection des soldats allemands ( 55.000 membres, Président: le
Général Krakau, des chasseurs de montagne; publie un journal ); Le Casque
d'Acier ou Stahlhelm de sinistre mémoire, où s'agitent le Générai comte
von Schwerin, Conseiller militaire du gouvernement de Bonn et l'ancien
dirigeant de la jeunesse hitlérienne Gottsleben ; les membres de
l'ancienne division blindée Grossdeutschland du Général von Manteuffel ;
les ‹ Diables
Verts ›,
association de parachutistes du général Ramcke ; les anciens de l'Afrika
Korps ( Président: le Général de blindés Cruewell ), etc... (page 54) Le 8
septembre 1951, les représentants de ces diverses associations se
réunissaient et constituaient l'Union des Soldats Allemands ( Verband
deutscher Soldaten ) ; Président provisoire : le Général-Colonel Friessner
; membres du bureau : les Généraux Gille, Hauser, Guderian, Stumpf, Herr,
Student, Hentschke, von Manteuffel, Cruewell et l'Amiral Hansen.
L'ensemble de ses membres est estimé à 500.000. L'association a aussitôt
annoncé qu'elle était en faveur de la remilitarisation de l'Allemagne et
de la coopération avec les puissances occidentales. Parmi les thèmes de
propagande de ces membres, citons les suivants:
‹
Nous,
anciens soldats, nous ne renoncerons jamais aux terres d'au delà de l'Oder
et de la Neisse › ( journal du Schutzbund ) ;
‹ que
nous le voulions ou non, il nous faudra prendre les armes pour défendre
notre espace vital
› ( Ramcke ) ;
‹ Les
camps de concentration du IIIe Reich ... sont des institutions dont
l'utilité et l'efficacité sont indéniables › ( caporal Hermann Lamp, S.S.
et chef du groupe-franc Pétain ) ; et le but suprême du corps-franc
Allemagne est ‹ l'avènement
d'une Allemagne militarisée ›. Quant à la célèbre association
‹
Bruderschaft ›
( Fraternité ), elle sert au regroupement des hautes personnalités du gratin
nazi, et l'on trouve, à sa tête, d'importants personnages représentatifs
des S.S., des divisions d'assaut hitlériennes, de la Gestapo, du Ministère
de Goebbels et même l'ancien administrateur de la souscription hitlérienne
pour le réarmement. Il s'agit donc, sous l'oeil bienveillant et avec les
conseils des services d'espionnage anglais et américain, de la
reconstitution des organes de direction de l'hitlérisme.
» . -
B) Germany's new Nazis. New York: Philosophical Library,
1952. Zur
Neugründung des Stahlhelms, der Deutschnationalen Volkspartei und Hans
Joachim Gottsleben, S. 42 (»Weimar
days is said to have taken place secretly in 1951.
One of the founders is an old Stahlhelm member called
Hans Joachim Gottsleben,
who has said : ›A
war between East and West is the only hope for rearming Germany. […] Only
Germans can halt the Red Army‹
[…]«).
- C) Behind the headlines / Canadian Institute of International Affaires.
Toronto: Inst., 10 (1950), 3, S. 6 (»A
political crank,
Hans Gottsleben,
is about to re-found the militaristic ›Stahlhelm‹.
More significant than these is the ›Brotherhood‹,
an association of ex-members of the armed forces which began to organize
in Allied prisoner-of-war […]«). – D)
Prevent world war III / publ. by the Society for the Prevention of World
War III. New York, N.Y.: Soc. 1949, Nr. 30 (1949), S. 25 (»Newcomer
by the name of Hans-Joachim
Gottsleben
took over its leadership. He is a young writer and in founding the party
he declared that he has the moral support of Herr Hugenberg and Herr
Schacht […]«).
– E) Hermann Vietzen: Chronik der Stadt Stuttgart.
1945-1948. Stuttgart: Klett, 1972, S.
127 (»Schon im Mai des Jahres blieben die Bemühungen
eines Schriftstellers,
Hans-Joachim Gottsleben,
um die Gründung dieser National-Demokratischen Partei in Württemberg-Baden
als einer ausgesprochenen ›Rechtspartei‹
ohne Erfolg [...]«). – F) Parteien-Handbuch. Die Parteien der
Bundesrepublik Deutschland 1945-1980. Opladen: Westdt. Verl, 1983-1984, S.
1011 (»Zwar schien diese Annäherung einige Monate
hindurch gefährdet zu sein, nachdem Ende Dezember 1949 der damals
28jährige Schriftsteller
Hans Joachim
Gottsleben
[in Hameln] eine Deutschnationale Volkspartei (DNVP) gegründet hatte […]«).
– G) Wolfgang Kraushaar: Die Protest-Chronik 1949-1959. eine illustrierte
Geschichte von Bewegung, Widerstand und Utopie. Hamburg: Rogner & Bernhard
bei Zweitausendeins, 1996, S. 168 u. 207 (ebenfalls zur DNVP und
Hans-Joachim Gottsleben).
Bilder
Hans Joachim Gottsleben
(um 1943) |
Hans Joachim Gottsleben
mit Tante Emmi
Schreiber
(um 1941) |
Hans Joachim Gottsleben
als Zeitungsreporter
und Schriftsteller
(um
1950) |
Hans Joachim Gottsleben
(rechts)
als
Holzfäller in Canada 1950
(Vancouver-Island)
Marylou Gottsleben
mit Tochter Carolyn A.
(22. Januar 1966
in Los Angeles) |
Dokumente
Correiro da Manhã,
Sexta-feira,
19 de Maio de 1950, p. 6 |
Hans Gottsleben,
Einreise 1956 in die USA |
Heiratsurkunde
Hans und Marylou
Gottsleben
22. September 1956 |
Einbürgerung
Hans Joachim Gottsleben
31. August 1962 |
Der Spiegel
vom 20. April 1950