Joseph Gottsleben
1822-1888
Buchdruckereibesitzer und
Zeitungsverleger in Mainz
Joseph Gottsleben
(um 1878/80)
Leben
Joseph Gottsleben, geboren am 19. Januar
1822 zu Mainz als Sohn des Krahnenführers Ludwig Joseph Gottsleben, begann am 1. September
1836 eine Lehre in der Druckerei von Florian Kupferberg in Mainz und arbeitete
nach Beendigung seiner Lehrzeit am 6. September 1841 mehrere Jahre als Gehilfe in auswärtigen
Druckereien. Um sich selbständig zu machen kehrte er im Revolutionsjahr 1848 in seine Vaterstadt zurück.
Doch dieser Plan stieß auf viele Hindernisse. Joseph Gottsleben war von den politischen
Strömungen der Zeit nicht unberührt und verfolgte die
freisinnig-demokratischen Bestrebungen mit reger Anteilnahme. Hier lag sicher der
Hauptgrund, dass ihm trotz wiederholter Einreichung von Gesuchen die Behörden
die Konzession zur Errichtung einer eigenen Druckerei hartnäckig versagten.
Erst als durch die Märzerrungenschaften eine behördliche Genehmigung nicht
mehr notwendig war, konnte er seine eigene Werkstatt einrichten. Das neue Geschäft wurde, wenn auch zunächst nur mit geringen Mitteln,
1850 eröffnet. Im selben Jahr begründete Joseph Gottsleben ein Inseratenblatt als erste
täglich erscheinende
Mainzer Zeitung.
Am 29. Juni
1850 ließ er an den Straßenecken der Stadt je ein Exemplar seines Täglichen Straßenanzeigers
anschlagen. Von diesem Samstag an
konnten sich die Mainzer ab sieben Uhr morgens darüber informieren, wer was zu
verkaufen hatte, wo eine Wohnung zu haben war oder wer - wie die »Christie-
Heinrich und Compagnie« in der Rheinstraße - regelmäßige Postschiff-Passagen
zwischen Le Havre und New York anzubieten hatte. Wein konnte man der Erstausgabe
des Täglichen Straßenanzeigers zufolge den Schoppen für vier Kreuzer
bei W. Alisky auf der Großen Bleiche kaufen oder sich bei M. Cüny in dessen
Leihbibliothek deutsche, englische und französische Literatur besorgen.
Reiselustige Mainzer konnten sich anhand der wohlsortierten Reisehandbücher der
G. Faberschen Buchhandlung an der Ludwigstraße in drei Sprachen auf »Deutschland,
Frankreich, Italien, die Schweiz etc.« vorbereiten. All dies und mehr noch aus
dem geschäftlichen Leben erfuhren die sich vor den Aushängen des Täglichen
Straßenanzeigers drängenden Mainzer fortan täglich. Wer es einfacher
haben wollte, konnte den Straßenanzeiger auch abonnieren. Für 123 Kreuzer
monatlich bekam er ihn täglich ins Haus geliefert aus der Druckerei des Joseph
Gottsleben im neuen Realschulgebäude an der Steingasse.
Keine drei
Jahre später, am 1. Mai 1853 erfreute Joseph Gottsleben die Mainzer mit einer sich nun Täglicher
Anzeiger nennenden »richtigen« Zeitung, die sie mit Nachrichten aus aller
Welt wie auch mit einem unterhaltenden Teil versorgte. In der ersten Nummer dieses Täglichen
Anzeigers informierte Gottsleben seine über die Fürstlich Thurn und
Taxischen Postanstalten und die Boten in der Umgebung angeworbenen Leser über
sein Konzept: »Der Tägliche Anzeiger bringt Original- und andere Erzählungen,
Novellen, Gedichte, Miscellen, Rechen-, Rätselaufgaben, Feuilleton für Theater
und Concert. Täglich eine kurze und bündige Zusammenstellung der
Tagesbegebenheiten, Geldkurs, Getraide-, Oel-, Brod-, Fleisch- und
Brantweinpreise. Einsendungen von allgemeinem Interesse finden freie Aufnahmen.«
Damit war
zum 1. Mai 1853 eine »Zeitung« entstanden, die diesen Namen verdiente und in
ihrem redaktionellen Konzept bereits dem der Zeitungen von heute entsprach. Es
gab, wenn auch noch in bescheidener Form, einen politischen, wirtschaftlichen,
lokalen und feuilletonistischen Teil. Nicht mehr die Anzeigen beherrschten
Aufmachung und Inhalt der Zeitung, sondern das aktuelle Tagesgeschehen. Dass der
Drucker und Verleger Joseph Gottsleben ein »moderner« Unternehmer war, machte
er schon ein Jahr später deutlich. Er benannte seinen Täglichen Anzeiger
in Mainzer Anzeiger bei gleichzeitiger neuer und übersichtlicher
Anordnung des bereits in Ressorts gegliederten Nachrichtenteils um. Unter diesem
Titel, der fast 100 Jahre Bestand haben sollte, erschien diese Zeitung erstmals
am 27. April 1854. Und selbstbewusst ließ Gottsleben seine Leser bereits
im Kopf neben dem Titel wissen: »Da der Mainzer Anzeiger nebst Beilage täglich
in mehr als 1300 Exemplaren erscheint und im ganzen Großherzogtum verteilt
wird, so kann bei der großen Verbreitung des Blattes der beste Erfolg für
Inserate aller Art garantiert werden.«
Am 29. Juni 1850 erschien die
erste Ausgabe des
Täglichen
Straßen-Anzeigers |
Die erste Ausgabe des
Mainzer Anzeigers
erschien am
27. April 1854 |
Joseph Gottsleben war ein
entschiedener Anhänger der Volkspartei und sein Anzeiger vertrat den
freisinnigen Standpunkt dieser alten süddeutschen Demokratenpartei. Bald gelang
es dem Mainzer Anzeiger, in weiten Kreisen der Bevölkerung große Beliebtheit und
politischen Einfluss zu erringen. Doch blieben wegen der politischen Haltung der
Zeitung ihrem Herausgeber allerlei Anfechtungen nicht erspart. Öfters - ganz
besonders im kritischen Jahre 1866, wo der Anzeiger eine Zeit lang sein
Erscheinen einstellen musste - geriet Joseph Gottsleben mit dem
Pressgesetz in Konflikt, und wiederholt musste er Geld- und auch
Freiheitsstrafen über sich ergehen lassen. Mit dem Wachstum des Anzeigers ging
ein Ausbau der Druckerei einher. Im Jahre 1862 mussten neue Räumlichkeiten
bezogen werden, und am 1. Januar 1871 wurde durch Ankauf der C. O. Köhlerschen
Steindruckerei ein neuer Zweig dem alten Geschäft angegliedert.
1877 bereicherte Joseph Gottsleben
den Mainzer Anzeiger mit einem sonntäglich erscheinenden
Unterhaltungsblatt
Der
Hausfreund.
Im April des Jahres warb er in großen
Inseraten für das Blatt: »Dasselbe
enthält fesselnde Erzählungen, Gedichte, Preisräthsel etc. etc. in reicher
Auswahl und wird am Schlusse des Jahres einen hübschen Band bilden«.
Das sonntäglich erscheinende
Unterhaltungsblatt
Der
Hausfreund |
Anzeige im Mainzer Anzeiger
von 1877 |
Joseph Gottslebens
Tochter Christina Elisa Magdalena
heiratete
am 27. April 1881 den Rechtsanwalt und Politiker Dr.
Adam Joseph Schmitt. Zu ihrer
Hochzeits-Feier schrieb der
allseits geschätzte Humorist
und Mainzer
Fastnachter Theodor Eichberger
(1835-1917) ein Hochzeitslied.
Theodor Eichberger war freier
Mitarbeiter des Mainzer Anzeigers und glossierte im Hausfreund
unter der Rubrik
»Humor
und Satire. Von Th. E.«
zwischen 1878 und 1881
allwöchentlich auf einer ganzen Seite
die aktuellen Ereignisse des
Mainzer Stadtlebens und das staatspolitische Geschehen im Kaiserreich.
Am
1. Dezember 1884 zog sich Joseph Gottsleben aus dem Geschäft zurück. Sein
am 14. August 1860 geborener Sohn Johann Baptist übernahm die
Geschäftleitung der Druckerei, die er krankheitshalber jedoch bereits am 1. Juli
1897 wieder niederlegen musste. Joseph Gottsleben
verstarb am 30. August 1888 in Mainz.
Die
Druckerei J. Gottsleben wurde später mit der Kupferbergschen
Druckerei vereinigt und in eine Aktiengesellschaft »Mainzer Verlagsanstalt und
Druckerei A. G. vormals J. Gottsleben und Fl. Kupferberg« umgewandelt. Dem neuen Unternehmen wurde
am 1. April 1899 das Gewerbepatent als »Buchdrucker mit sechs Schnellpressen«
erteilt. Die neue Zeit mit ihren neuen Techniken hielt auch in der Druckerei Einzug. Setzmaschinen übernahmen
die mühsame Arbeit der Handsetzer, eine stürmische Entwicklung setzte ein. Als
1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, präsentierte sich der Mainzer Anzeiger
längst großformatig im Vierspalten-Umbruch, übersichtlich gegliedert und mit
allem ausgestattet, was zum Betrieb und zum Bild einer modernen Großstadt-Zeitung zählt.
Literatur
|
Haber, Ralf:
Mainzer Presse, 1945-1950:
eine Modellstudie zur frühen
Nachkriegszeit. Köln [u.a]: Böhlau, 1997. S. 11. (= Medien in Geschichte und
Gegenwart; Bd. 8). |
|
Kornfeld, Heike: Die Entwicklung des Druckgewerbes in Mainz :
vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1816
- 1914). Mainz : Stadtarchiv, 1999. (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz
; 31). Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1996. S. 103-122 (Florian Kupferberg gegr.
1808; Die Entwicklung der Druckerei bis 1897; Zur Firmengeschichte; Verlags-
und Druckerzeugnisse; Personal und technische Ausstattung; Die Weiterführung
der Druckerei Florian Kupferberg als »Mainzer Verlagsanstalt und Druckerei
A.-G. vorm. J. Gottsleben und Fl. Kupferberg« nach 1897; Die Entwicklung der
Druckerei Joseph Gottsleben bis 1897; Die Umstrukturierung der Druckerei
Florian Kupferberg in eine Aktiengesellschaft; Die Entwicklung der »Mainzer
Verlagsanstalt und Druckerei A.-G.« nach 1897) |
|
Lehnert, Georg: Joseph Gottsleben, Buchdruckereibesitzer und Zeitungsverleger,
1822-1888. In: Hessische Biographien. Darmstadt, Bd. 1 (1912), S. 231-232. |
|
Leicher, Günther: Am Anfang stand der Tägliche Straßenanzeiger
(Internet, 21.06.2002). |
|
Mitteilungen für die Mitglieder des Kreises III (Main) des
Deutschen Buchdrucker-Vereins", Festschrift 1909, S. 9 (Porträt/Brustbild von
Joseph Gottsleben). |
Anmerkung
Joseph Gottsleben war ein sehr
wohlhabender und mächtiger Mann in der Stadt Mainz - weshalb der
humoristische Dichter
Theodor
Eichberger es sich natürlich
nicht nehmen ließ, im Hochzeitsgedicht auch deutlich auf diesen Umstand anzuspielen.
Hochzeitslied
zur
Hochzeits-Feier von Dr. Adam Schmitt, Rechtsanwalt und Christina
Gottsleben am 27. April 1881
(Melodie: Herzliebchen unter dem
Rebendach)
Jetzt stimmet allesammt
jubelvoll
In Fröhlichkeit mit ein,
Dem neuvermählten Brautpaar
soll
Ein Lied gesungen sein:
Was in der Tanzstunde
einst sich fand,
Hat glücklich vereint das Eheband;
:;: Und köstlicher wird und wonnevoll
Die
Ehestund' ihm sein. :;:
Der Bräutigam ist
der Rechte Mann,
Des Eheglückes
Schmitt,
Der Recht dem
Bräutchen stets geben kann,
Sein Stand bringt dies schon mit!
Hat auch das Bräutchen, vom Glück berauscht,
"Gottsleben" heute mit
"Schmitt" vertauscht:
:;: Geht doch ein Gottesleben
jetzt an,
Das bringt
der Stand
schon mit. :;:
Im
Brautstand lebte das
junge Paar,
Wo Liebe Kränze flicht,
Im ganzen fröhlich zwei kurze Jahr' -
Die Jugend wartet nicht!
Indeß der wack're Herr Papa
Sechs Jahre gefrie'n
um die Mama;
:;: Ein rechter Brautstand war das fürwahr!
Die Jugend wartet nicht. :;:
Als
Drucker und als
Verleger hat
Er's besser schon erreicht,
Weil stets die Einnahm'
von seinem Blatt
Die
Ausgab' übersteigt.
Wenn man sein prächtiges Haus
beguckt,
Das er sich neu hat
herausgedruckt,
:;: Dann sieht man, steht es auch nicht im Blatt,
Wie seine
Ausgab'
steigt! :;:
Groß
steht der "Anzeiger"
heute da,
War er auch früher klein;
Herausgeber ist der
Herr Papa,
Doch nimmt er auch gern ein!
Gilt's aber dem herz'gen Töchterlein,
Da steuert mit Stolz er's aus recht fein;
:;: Herausgeber ist
der Herr Papa,
Nimmt er auch sonst gern ein! :;:
Wenn
auch das leid'ge Preßgesetz
droht,
Da macht er sich nichts draus;
Er hat ja, ledig jetzt aller Noth,
Den
Rechtsanwalt im Haus;
Und's Töchterlein selbst zu dieser Frist
Sogar schon eine Frau Doctor
ist;
:;: Wenn dann das leid'ge Preßgesetz droht,
Da macht er sich nichts draus. :;:
Die
Liebe leite das junge
Paar,
- Sie bleibt das Beste doch -
Dann lacht das Leben ihm schön und klar
In fernster Zukunft noch.
Ihm werde Freude und
Glück und
Heil
Auf seinem Lebenswege zu theil!
Erhebt die Gläser und stoßet an:
Das Brautpaar lebe hoch!
Erhebt die Gläser und stoßet an:
Es lebe drei Mal hoch!
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Stand: Januar 2019
Klaus Gottsleben
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