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Wanfried
Hohmann-Gottsleben-Weg

Zur Erinnerung an die Napoleonische Fremdherrschaft unter Jérôme Bonaparte (1784-1860) wurde der Hohmann-Gottsleben-Weg nach dem Stadtsekretär Georg Bernhard Hohmann und dem Ackersmann Johann Reichardt Gottsleben benannt. Beide wurden wegen Widerstandshandlungen gegen das Westfälische Regiment am 3. und 4. Mai 1813 durch ein eiligst zusammengerufenes Kriegsgericht zum Tode verurteilt und erschossen.

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Todesumstände von Hohmann und Gottsleben

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Bilder von Wanfried

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Geschichte

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Wanfried zur Zeit der Fremdherrschaft

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Literatur

Eintrag der Todesumstände im Kirchenbuch

    Der zur Exekution beorderte Pfarrer Bippart schildert im Wanfrieder Kirchenbuch die Ereignisse:

»Johann Reichardt Gottsleben, Oekonom dahier, wurde den 3. May um halb 10 Uhr unter der unglücklichen Regierung des Usurpators Jerom Bonaparte durch eine Special Kriegs Commisson, weil er abends, den 17. April, beim Überfall des Königl. Preuß. Major von Hellwigschen Freikorps Unruhe exerziert hätte, zum Tode verurteilt. Darauf mußte ich, der Prediger, denselben auf Befehl gedachter Commission auf hiesigem Rathause kürzlich zum Tode vorbereiten, und unter der Bedeckung des Chasseursregiments und 80 Gensdarmen (unter Musik und Trommelschlag) bis aufs Feld zwischen dem 1. und 2. Graben begleiten, wo er von mir gerissen, aufgestellt und von 12 Mann erschossen wurde. Der Unglückliche wurde als ein Vater von fünf unversorgten Kindern sehr bedauert und war 44 Jahre 7 Monate und 12 Tage alt.«
Die Todesurkunde ist beglaubigt vom Pfarrer selbst und zwei Zeugen, dem Steuereinnehmen Rabeau und dem Kanton-Notar Otto.

»Herr George Bernhard Hohmann, Sekretär der Mairie dahier, wurde mit jenem unglücklichen Gottsleben, weil er die zurückgebliebenen Gensdarmenpferde dem Feinde zugeführt habe, auch zum Tode verurteilt, aber nicht demselben zugleich erschossen, sondern von der Spezialkriegskommission nach der Verteidigung des Angeklagten durch den Herrn Prokurator Hahn wegen seiner Jugend, da er erst 19 Jahr alt war, der Gnade des Königs empfohlen. Aber da ein Vorgesetzter und angeblich von dem Angeklagten schwer beleidigter der Gensdarmen nochmals auf seine Todesstrafe antrug, so war an keine Gnade zu denken und der Unglückliche wurde mit der Gewißheit seines Todes tags darauf von Cassel hierher zurückgeführt am 4. Mai mittags und hinterm zweiten Graben von seinen teuflischen Begleitern aus dem Wagen gerissen und links der Chaussee erschossen. Die stillen Gräber empfingen diese unschuldigen Opfer auf Befehl ihrer Mörder ohne Leichenbegleitung und es weinten bitterlich ihre Angehörigen um den schmerzlichen Verlust. Aber ihr Andenken lebt fort in der Brust derer, die sie kannten.« 

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Vgl. Ernst Hollstein: Geschichte der Stadt Wanfried. 1608-1908. Wanfried: Israel, 1908, S. 104 ff.

Wanfried

Siegel der
Stadt Wanfried
 1608

Wanfried
 im Jahr 1646
nach Merian

Geschichte

Wanfried gehörte zunächst zu Thüringen. Erst 1306 kaufte Landgraf Heinrich I. Wanfried für Hessen an. In der Folgezeit war Wanfried immer wieder Streitpunkt zwischen Hessen und Thüringen. 1431 kam es endgültig zu Hessen.
    Danach konnte sich Wanfried der Gunst seiner Lage erfreuen. Als Endhafen der Weser-Werra-Schifffahrt wurde es zum Mittelpunkt des Handels zwischen Thüringen, den sächsischen Herzogtümern, Bayern und Bremen. Wanfried hatte als Warenumschlagplatz eine hervorragende Bedeutung und galt als wirtschaftlicher Vorposten der Reichsstadt Mühlhausen. Der Flusshandel brachte Reichtum und Wohlstand in den Ort.
    Bereits zur Zeit des Landgrafen Philipp des Großmütigen, der 1526 die Reformation in Hessen beschließen ließ, hatte der Ort Wanfried − dem alten Wanfrieder Salbuch zufolge − viele städtische Einrichtungen, doch erst im Jahre 1608 erhob Landgraf Moritz Wanfried zur Stadt und verlieh ihr Marktgerechtigkeit. Handel und Handwerk erlebten danach einen enormen Aufschwung. Überregionale Bedeutung erlangte vor allem das Töpferhandwerk. Im 17. und 18. Jahrhundert unterhielt die Stadt weit reichende Handelsverbindungen nach Süd- und Ostdeutschland, ja bis nach Polen und Russland. Historische Fachwerkhäuser − unter ihnen besonders bemerkenswert das Rathaus, die »Alte Post«, das »Keudellische Schloss«, der »Schwan«, die »Klauskirche« und die Schlagdhäuser − sind Zeugen dieser Zeit. Dem allgemeinen Aufstieg setzte der 30-jährige Krieg ein vorläufiges Ende. Von den Folgen dieses Krieges erholte sich die Stadt nur langsam.
    1627 wurde Wanfried dem Herrschaftsbereich der Rotenburger Quart einverleibt und etwa einhundert Jahre später zur Residenz der katholischen Seitenlinie Hessen-Rheinfels-Wanfried erwählt. 1693 zog Landgraf Karl als Gründer der Linie im Wanfrieder Schloss ein. Die Söhne Karls, Wilhelm und Christian lebten dort bis zum Erlöschen der Linie im Jahr 1755.
    1806 verlor auch Hessen seine Selbstständigkeit und wurde Teil des neugegründeten Königreiches Westfalen. Die Werra-Schifffahrt kam durch die Kontinentalsperre völlig zum Erliegen. Als Ersatz für den Ausfall des Schiffereigewerbes entstand danach eine aufblühende Industrie.

Napoleonische Zeit und die Ereignisse,
die zur Exekution von Hohmann und Gottsleben geführt haben
(Wanfried zur Zeit der Fremdherrschaft)

Tief sind die Eindrücke, die die Napoleonische Zeit in Wanfried zurückgelassen hat. Eine gewaltigere Sprache als Geschichtsbände und flammende Reden spricht das bescheidene Eisenkreuz unter den Trauereschen des alten Totenhofes.

Hier ruhen die sterblichen Reste des Stadtsekretairs
Georg Bernhard Hohmann,
im blühenden Jünglingsalter von 19 Jahren zu Wanfried
öffentlich ermordet wegen ihm zum Verbrechen gemachter
Anhänglichkeit an den rechtsmäßigen Landesfürsten,
auf Befehl des Usurpators Hieronymus Bonaparte,
am 4. Mai 1813.
Gott verzeihe dem Mörder und seinen Helfern!

Was für gewaltig schwere Worte! Welch furchtbare Anklage gegen den, der so mit Menschengeschicken spielte! Aber auch welch drohende Warnung für die Nachwelt! (...)
    Die verhängnisvolle Sorglosigkeit des alten Herzogs von Braunschweig, der untätig in Weimar lag, ermöglichte es Napoleon, ohne Schwertstreich die Pässe des Thüringer Waldes zu überschreiten und, fast ohne behelligt zu werden, bis ins Herz Deutschlands vorzudringen. Noch am 11. Oktober 1806 waren preußische Truppen durch Wanfried gezogen, und schon drei Tage darauf war das Preußenheer, das so zuversichtlich ins Feld gerückt war, geschlagen und versprengt. Schon lange vorher war die Vernichtung der hessen-kasselischen Dynastie bei Napoleon beschlossene Sache gewesen. Trotz strenger Neutralität des Kurfürsten – Hessen war seit dem Jahre 1803 Kurfürstentum – ließ Napoleon das Land noch im Oktober unter nichtigen Vorwänden besetzen. Der erste Befehl, den der Marschall Mortier von Cassel aus erließ, war, das Land sollte gänzlich entwaffnet werden. Wer nach dem erhaltenen Befehl dennoch die Waffen behielt, setzte sich der Gefahr aus, erschossen zu werden. Mit lautem Widerwillen und unter bitteren Verwünschungen legte das Militär die Waffen nieder, soweit man sie nicht vorher zerbrach. Während das Eschweger Militär nach der Entwaffnung entlassen wurde, blieb die Wanfrieder Garnison ruhig in ihrem Quartier. Niemand kümmerte sich um sie. So wartete an das Weitere ab.
    Am 1. Dezember traf eine neue Verordnung ein, die der Wanfrieder Schiffahrt den Todesstoß versetzte. Es handelte sich um die Kontinentalsperre. Gleich nach seinem Einzug in Berlin hatte Napoleon den Völkern Europas diktiert, sie hätten jeglichen Handel mit England, dem einzigen Lande, dem er nicht beikommen konnte, einzustellen. So war mit einem Federstrich die Existenz Wanfrieds, wenn nicht in Frage gestellt, so doch bedroht. Der lebhaften kleinen Handelsstadt war die Hauptader, die Wasserstraße, unterbunden.
    Die Erbitterung über die rücksichtslosen Maßnahmen des Eroberers führten in Eschwege zu einer Explosion. In der Nacht vom 22. zum 23. September erbrach ein Haufe verabschiedeter Soldaten das Rathaus und bemächtigte sich der dort deponierten Gewehre sowie eine Partie französischer Reitersäbel, die in ein Haus am Stade gebracht worden waren. Einem Juden, der von Wanfried den Franzosen 40 Koppelpferde zuführen wollte, nahm man diese ab, Pulver wurde aus den benachbarten Pulvermühlen geholt, Blei aus Wanfried beschafft, Kanonen erwartete man aus Schmalkalden. Alle Gemüter in der Umgegend glühten vor leidenschaftlichem Franzosenhaß. Doch wurde die Revolution unnachsichtig von den Franzosen unterdrückt und der Anführer, Fourier Schumann, in Mühlhausen ergriffen und im Bellevuegarten zu Kassel erschossen. Am 16. Februar 1807 versammelte der Oberst Rabbee, der mit einem Teil der Pariser Garde in Eschwege lag, die Ortsvorstände und Beamten von Eschwege, Wanfried, Allendorf und fünf anderen Orten und befahl ihnen unter Androhung des Todes, Teilhaber an der Rebellion anzugeben. Opfer müßten fallen, der Kaiser wolle es. Des Kaisers Wille geschah: Am 21. Februar, zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags, wurden fünf Unglückliche auf dem Werdchen erschossen: E. Pfannkuchen, ein Sohn des Schlierbachförsters, J. G. Schäfer aus Aue, C. Bachmann aus Frieda, J. Hupfeld und H. Sommermann aus Weidenhausen, lauter junge, ihrem Herrscherhause treu ergebene Leute. (...)
    Hatten die Wanfrieder bisher bei allen kriegerischen Kundgebungen mehr oder weniger die Rolle der Zuschauer gespielt, so schien sich gegen des Jahres 1807 die immer noch fortdauernde Gährung auch auf sie zu übertragen. Die Soldaten der Wanfrieder Garnison, die man merkwürdigerweise ganz vergessen zu haben schien, fing an zu murren, weil sie seit Ausbruch des Krieges keinen Sold mehr erhalten hatten. Die feindselige Haltung gegen die Franzosen, die seit Anfang Dezember in Wanfried in Quartier lagen, ließ eine Katastrophe befürchten. Glücklicherweise wurde einer offenen Empörung durch Wegnahme der Gewehre und Bewilligung von Geldunterstützung an die Bedürftigsten noch rechtzeitig vorgebeugt. Damit schien der Widerstand gebrochen. (...)
    Nach Beendigung des Krieges kam Wanfried zusammen mit seinen Nachbarstädten an das neugebildete Königreich Westfalen, das Napoleons Bruder
Jérôme (Hieronymus) für diesen verwaltetet. Seit Anfang 1808 gehörte der Kanton Wanfried zur Präfektur Heiligenstadt im Harzdepartement. (...) An Stelle des Bürgermeisters Stichtenoth und des Stadtschreibers Burhenne, die ihren Dienst quittiert hatten, wurden am 15. April der Maire Forcht, der Maire-Adjunkt Walter und der Stadtsekretär Hohmann in ihr Amt eingesetzt. Andere königlich-westfälische Beamte waren die Friedensrichter Hattenbach, Kantonsnotar Otto und Postdirektor Appel. Die Huldigung für den aufgedrungenen Herrscher fand am 20. Februar statt. Im Juni 1809 hatte Wanfried sogar die Ehre, den »König Lustik« mit Suite und zwei Eskadrons Garde-Chevaulegers in seinen Mauern zu begrüßen. Damals hatte die Stadt 1408 Einwohner. (...)
    Zu einem versöhnlichen Verhältnis zwischen Eroberer und Unterworfenen konnte es dank dem Spionagesystem der Franzosen nicht kommen. (...) Die Volksmeinung urteilte von Tag zu Tag schärfer über die heimlichen Schleicher, von denen sich der Brigadier Großkreutz und der in französischen Diensten stehende Geheimpolizist Heldt besonders verhaßt gemacht hatten. (...)
    Da traf die Kunde vom Brande Moskaus und dem Untergange der großen Armee auf den Schneefeldern Rußlands ein, die mit einem Schlage den Befreiungsgedanken in greifbare Nähe rückte. Auch die Wanfrieder Patrioten wollten in den bewegten Frühlingstagen des Jahres 1813 nicht untätig zusehen, wie man insgeheim Anstalten traf, den Eindringling aus dem Lande zu verjagen. (...) Man hatte Kunde erhalten, daß ein preußisches Streifkorps in der Langensalzer Gegend sei, und beschloß in jener Nacht, sich mit ihm in Verbindung zu setzen und die Franzosen aus Wanfried zu vertreiben. Zu diesem Zwecke begab sich der Eschwegische Förster Jung am folgenden Tage auf Schleichwegen nach Mühlhausen, wo inzwischen der Major von Hellwig, der Führer der Freischar, vorgerückt war. (...) In den frühen Morgenstunden, noch vor Anbruch des Tages, fand der Überfall von Wanfried statt. (...) Die Überrumpelung gelang vollständig (...). In Hellwigs Hände fiel der Rittmeister der Husaren, Kolbe, und Leutnant Fricke (...) außerdem wurden 80 Husaren, 100 Pferde und einige 50 Mann Infanterie gefangen genommen. (...)
    Mit stürmischer Begeisterung war Hellwig mit seinen kühnen Reitern begrüßt worden. Alles jubelte ihm als dem Befreier Wanfrieds zu. Die Bürger fielen sich gerührt in die Arme, laute Vivatrufe erfüllten die Straßen der Stadt. Nun mußte ja alles gut werden. Napoleons Heer war in Russland vernichtet, er selbst ist in fluchtartiger Schnelle nach Paris geeilt. (...)
    Gerade hat sich
die Szene spielte sich an der Ecke der Ludwig Rexrodtschen Wirtschaft ab der noch zurückgebliebene Geheimpolizist Heldt aufs Pferd geworfen, um sich aus dem Staube zu machen, da knirscht er bei den Vivatrufen der Volksmenge: »Wart nur ihr Kanaillen, das soll euch schlecht bekommen!«. Im Nu reißt ihn der Ackersmann Gottsleben, der die drohenden Worte zufällig gehört hat, vom Pferde und liefert ihn, begleitet von der aufregten Menge, an Major von Hellwig ab, der ihn aber, wie auch die anderen aufgegriffenen Franzosen, wieder laufen läßt. Das rächte sich bitter! Zwei der von Hellwig wieder entlassenen Gendarmen hatten nichts Eiligeres zu tun als Jérôme Anzeige zu machen und die Bürger Wanfrieds des direkten Einverständnisse mit den Preußen zu bezichtigen. Als Napoleon bald darauf wieder nach Schlesien vordrang, glaubte Jérôme seine Stellung gesichert und erschien unerwartet mit seiner Garde in Eschwege.
    So zieht schon wenige Tage nach den vorgeschilderten Ereignissen ein neues Kommando westfälischer Truppen in das wehrlose Wanfried ein. Die verhaßten Schnüffler, unter ihnen Heldt und Großkreutz, sind auch dabei. Die Freude ist in jähen Schreck verwandelt. Viele »Schuldige« fliehen in die Wälder oder suchen in Dorrösen und Gartenhäuschen Unterschlupf, eine ganze Reihe wird gefangen genommen. Jérôme, der inzwischen nach Eschwege gekommen ist, gibt Befehl, daß in Wanfried ein Kriegsgericht zusammentreten und über die Schuldigen zu Gericht sitzen soll, die den Überfall ins Werk gesetzt und in verräterischer Weise sich gegen ihren König erhoben haben. Zwei sollen auf alle Fälle erschossen werden. (...) Noch in derselben Nacht kommen 50 Gendarmen nach Wanfried, holen die Hauptschuldigen, unter ihnen den jungen Hohmann, aus den Betten und schleppen sie aufs Rathaus. Dann wird ohne Verzug, trotz der nächtlichen Stunde, der Pfarrer Bippart herbeigeholt, damit er die Opfer auf den Tod vorbereite. (...)
    Gegen Morgen tritt das Kriegsgericht auf dem Rathaus zusammen. Kurz vorher ist der Ackersmann Richard Gottsleben verhaftet worden. Ihm sowohl wie Hohmann wird zur Last gelegt, daß sie den Überfall von Wanfried durch den Major von Hellwig begünstigt hätten, und zwar soll Gottsleben den Preußen Fahnen und Waffen ausgeliefert, Hohmann ihnen die zurückgebliebenen Gendarmenpferde zugeführt haben. Vergebens war man in Gottsleben gedrungen, sich seiner drohenden Festnahme durch die Flucht zu entziehen oder sich wenigstens einige Tage verborgen zu halten. Da er sich keines Vergehens schuldig fühlte, war er ruhig aufs Feld gezogen, um zu pflügen. So hatten ihn die Gendarmen gefunden.
    Die Verhandlung ist ganz kurz und geheim. Man läßt die Anklage durch zwei minderwertige Zeugen bestätigen, von denen der eine als Fälscher und Betrüger, der andere als Spion bekannt ist. Andere Zeugen, die einen oder beide hätten entlasten können, werden zwar in größerer Zahl hinzugezogen, doch wird nur das niedergeschrieben, was gegen die Angeklagten spricht. Die beiden Prokuratoren Friedrich und Otto Hahn vom Gericht zu Eschwege, die herbeigeeilt sind, die Verteidigung der Angeklagten zu übernehmen, werden vom General der Garden bedroht, als Mitschuldige behandelt zu werden, wenn sie noch zu Gunsten der Verhafteten sprächen. Dank der Vermittelung des Majors von Bödicker werden sie zwar schließlich zugelassen, doch mit dem Bedeuten, daß zwei der Angeklagten erschossen würden. Die beiden Verteidiger weisen darauf hin, daß nur durch eine Reihe von Zufällen der Überfall von Wanfried möglich gewesen sei; vergebens. Sie betonen, beide Belastungszeugen seien im höchsten Grade unglaubwürdig, es nutzt nichts. Das Schicksal der beiden ist besiegelt. Aus der oberflächlichen Schnelle, mit der über ihr Leben entschieden wird, spricht keine Hoffnung. Beide werden zum Tode verurteilt. (...)
    Kaum eine Stunde nachdem Gottsleben vom Pfluge geholt worden ist, tritt er, begleitet vom Pfarrer Bippart, seinen letzten Gang an. Zwischen dem Ersten und Zweiten Graben, auf dem Felde, das noch heute der Blutacker heißt, wird er aufgestellt und - es ist gegen 10 Uhr morgens - von 12 Mann erschossen. Auf dem alten Totenhofe bestattet man die sterblichen Reste des Unglücklichen zur letzten Ruhe. (...)
    Fast noch schändlicher als mit Gottsleben verfuhr man mit dem anderen Opfer, dem Stadtsekretär Hohmann. Da seine Verwandten flehten, man möge den noch nicht Zwanzigjährigen nicht mit der Todesstrafe entgelten lassen, wozu er sich in jugendlicher Leidenschaftlichkeit vielleicht habe hinreißen lassen, so wurde die Exekution wirklich aufgeschoben. Man brachte Hohmann nach Kassel, um ihn der Gnade des Königs zu empfehlen. Seine Schwester war ihm vorrausgeeilt und hatte sich dem König zu Füßen geworfen. Dieser entließ sie mit gutem Trost, war aber grausam genug, Hoffnungen, die in dem beklagenswerten Jüngling aufgestiegen waren, kalt zu zerstören.
    Am folgenden Tage, dem 4. Mai 1813 wurde Hohmann - noch immer in qualvoller Ungewissheit - zurücktransportiert, kurz bevor der Zug den zweiten Graben erreichte, vom Wagen gerissen und auf dem Felde links der Chaussee um 18 Uhr angesichts seiner Vaterstadt erschossen.
    Der traurige Zug so wird erzählt, stand unter dem Kommando des Rittmeisters Zoll, eines wackeren Mannes, der das Urteil nicht hatte unterzeichnen wollen und zur Strafe dafür außer einer achttägigen Haft dazu kommandiert worden war, das Urteil an Hohmann zu vollstrecken. Als er sah, dass die Gendarmen den Verurteilten aus dem Wagen reißen wollten, ritt er von der Front seiner Schwadron zu ihm hin, stieß seine Peiniger zur Seite und rief:
Sie finden hier noch Menschen!  Fassen Sie Mut, deutscher Jüngling! Sterben Sie standhaft! Dann half ihm der Brave selbst aus dem Wagen und führte ihn zur Richtstätte. Mutig, als ein Opfer des französischen Tyrannen fiel Hohmann an derselben Stelle, am 4. Mai, die am Tage zuvor vom Blute des Bürger Gottsleben getränkt worden war. Sein Leichnam wurde auf einem Wagen des Paul Walter nach der Stadt gefahren und auf dem alten Friedhof beerdigt.

Literatur

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Friedrich und August Hahn: Darstellung eines merkwürdigen Justizmordes unter der Regierung des Jerome Napoléon / von Fr. und A. Hahn, vormals Prokuratoren bei dem Tribunal in Eschwege. Eschwege: Verl. d. Verfasser, 1813 <Gottsleben hinterließ fünf Kinder und eine schwangere Frau>.

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Ernst Hollstein: Geschichte der Stadt Wanfried. 1608-1908. Wanfried: Israel, 1908. (S. 93-108: Wanfried zur Zeit der Fremdherrschaft).

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1100 Jahre Wanfried. 860-1960. Kassel, 1960. 41 S. mit Abb. (hier S. 23: Wanfried zur Zeit Napoleons).

Stand: Juli 2015
Klaus Gottsleben
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