Das Eichsfeld
Lage
Das
Eichsfeld (Eichesfeld, Aikesfeld, Eichesvelt, Eychisfelt) grenzt gegen Norden
und Nordwest an Hannover, gegen Westen und Südwesten an Hessen, gegen Südosten
an den Kreis Mühlhausen, gegen Osten und Nordosten an den Kreis Nordhausen und
Schwarzburg und hat seinen Namen wahrscheinlich von den Eichenwaldungen, die
damals diesen Landstrich bedeckten, auf die auch die Namen der Dörfer Eichen,
Eichenrieden, Eichenrode und weitere Orte hindeuten.
Das
ganze Land wird in das Ober- und Untereichsfeld eingeteilt. Der südliche größere
Teil wird das Obereichsfeld, der nördliche kleinere Teil das Untereichsfeld
genannt.
Das
Eichsfeld ist ein Bergland, dessen Höhen fast alle größere oder kleinere
Hochebenen darbieten. Diese Plateaus bestehen fast überall aus unfruchtbarem,
steinigem Muschelkalk, die Abhänge sind bald schroff, bald dachen sie sich sanft
ab und die Täler sind bald weit und muldenförmig, bald enge und von steilen
Bergwänden eingeschlossen. Für die Vegetation ist der Muschelkalk sehr
ungünstig, da er nur schwer verwittert und deshalb einen mit Steinen besäten
Boden darbietet. Laubholzwaldungen gedeihen auf dem Muschelkalk ganz gut.
Das
Plateau des Obereichsfeldes zeigt westlich, nach der Werra hin, die schroffsten
Formen und hat bedeutende Gipfel, wie den Hilfensberg und den Greifenstein. Auch
nordwestlich finden sich steile Berge, wie der Höheberg und der Hannstein, die
südlichen Ausläufer zeigen sich in den Dünbergen, den Flinsberger Höhen, dem
Capellen-, Ebers-, Clause- und Fürstenberge. Die Waldungen sind fast überall
gut, und in den schönen Buchenwäldern findet man Eichen, Ahornen, Eschen,
Birken. Nadelholz findet sich weniger und ist größtenteils erst in neuerer Zeit
gepflanzt.
Karte des Eichsfeldes |
Tractus Eichsfeldiae
Historische Karte des
Eichsfelds von 1759 |
_____________________
Alte
Bilder aus dem Eichsfeld
Dingelstaedt |
Heiligenstadt |
Kloster
Reifenstein |
|
Geschichtlicher
Überblick
897–974 |
Das Eichsfeld wird erstmals im Jahre
897 urkundlich erwähnt. Durch Otto II. kommt Duderstadt 974 an das Stift
Quedlinburg, wo des Kaisers Schwester Fürstäbtissin ist. Sein Bruder
Wilhelm, der in Mainz als Erzbischof residiert, erhält zur gleichen Zeit
Heiligenstadt und seine Umgebung. |
1124 |
Im
Jahr 1022 gibt es eine erste Nachricht über Mainzer Besitzungen auf dem
Eichsfeld. |
1124 |
Beginn
der Klostergründungen auf dem Eichsfeld. |
1022–1573 |
Das
Kurfürstentum Mainz erwirbt weitere Besitzungen und bildet
Verwaltungsstrukturen heraus. Das nordwestlich von Duderstadt gelegene
Untereichsfeld ist zunächst liudolfingisches Hausgut und ottonisches Reichsgut, kommt im 10. Jahrhundert
an das Stift Quedlinburg und fällt 1247 an Braunschweig Lüneburg, dessen
Linie Grubenhagen es 1342/58 bzw. 1434 an das Kurfürstentum Mainz
verpfändet.
Durch Kauf, Tausch, Pfändungen und Stiftungen ist in einem
verhältnismäßig langen Zeitraum auf friedlichem Wege fern der Mainzer
Residenz ein in sich geschlossenes Territorium entstanden, in dem es sich,
mit damaligen Maßstäben gemessen, durchaus leben läßt. Der Landesherr, der
auch Kirchenfürst ist, wird im Eichsfeld vertreten durch seinen Amtmann,
der zeitweilig auf dem Rusteberg und später im kurfürstlichen Schloss in
Heiligenstadt residiert.
Zum Landadel zählen die von Hanstein, von Bodenstein, von
Wintzingerode, von Bültzingsleben, von Geveldehusen, von Westernhagen und
andere. Der Klerus besteht aus dem Chorherrnstift St. Martin in
Heiligenstadt, dem Stift Nörten, dem Benediktinerkloster Gerode und den
Benediktinerinnenklöstern Zella und Anrode, dem Zisterzienserkloster
Reifenstein und den Zisterzienserinnenklöstern Beuren und Teistungenburg
sowie dem bischöflichen Kommissarius, der zugleich die Landpfarrer vertritt.
Das Bürgerturm wird von den Städten Heiligenstadt und Duderstadt vertreten.
Die einzelnen Dörfer unterstehen entweder dem Burgherren, Klöstern oder
Städten. |
1524 |
Ausbruch
des Bauernkrieges in der freien Reichsstadt Mühlhausen. Pfeiffer zieht gegen
das Eichsfeld,
plündert und verbrennt Klöster und adelige Höfe. Adel und Städte bekennen
sich zur Reformation und setzten evangelische Priester ein. Viele Bewohner
wenden sich dem Protestantismus zu. Ein langes Tauziehen um die
Konfessionszugehörigkeit der Eichsfelder beginnt. 1555 wird Daniel Brendel von
Homburg Erzbischof von Mainz. Nach einem Besuch im Eichsfeld im
Jahre 1574 leitet er hier die Gegenreformation ein. |
1575 |
Die
Jesuitenpatres gründen in Heiligenstadt ein Kolleg und beginnen mit der
Gegenreformation. Die traditionellen Palmsonntagsprozessionen in
Heiligenstadt und andere kirchliche Umgänge weisen auf diese Zeit zurück.
Kreuze und Bildstöcke werden aufgestellt, um den katholischen Glauben in der Bevölkerung zu
festigen. Im Verlauf von 50 Jahren wird das Eichsfeld bis auf wenige Dörfer
für den katholischen Glauben zurück gewonnen. |
1622 |
Für
das Eichsfeld beginnt der 30-jährige Krieg. Die Schweden, die Kaiserlichen,
die Dänen, die Hessen und die Thüringer ziehen durchs Land, plündern und brandschatzen. Pest und
Hunger tun ein übriges, die Bevölkerung des Eichsfeldes zu dezimieren. Von
den etwa 50 000 Einwohnern, die das Eichsfeld 1618 zählte, leben 1648 nur
noch
12 000. Das Land gleicht einem Trümmerhaufen, als endlich in Münster und
Osnabrück Frieden geschlossen wird. |
1650 |
Der
Kurfürst von Mainz tritt wieder in Besitz seines Landes, das zu mehr als
einem Drittel verwüstet und dessen Bevölkerung auf ein Viertel
zurückgegangen ist. |
1665 |
Kurfürst
Johann Phillip besucht das Eichsfeld, gewährt seinen Untertanen 3 Jahre
Steuerfreiheit und bewilligt unentgeltliches Bauholz. |
1682 |
Die Pest rafft 2000 Menschen
dahin. |
1691 |
Valentin
Degenhardt führt die Arrasweberei (Raschweberei hier genannt) auf dem Eichsfeld ein. |
1720 |
Die Hungersnot treibt viele
Eichsfelder zur Auswanderung nach Ungarn. |
1773 |
Papst
Clemens XIV. hebt den Jesuitenorden auf. Die Jesuiten verlassen nach 200
Jahren segensreicher Tätigkeit das Eichsfeld. |
1757 |
Der
siebenjährige Krieg beginnt und bringt dem Eichsfeld einen schweren
wirtschaftlichen Rückschlag. Der Mainzer Kurfürst ist mit Frankreich,
Österreich und Russland verbündet. Das Eichsfeld ist wieder von Feinden
umgeben: Preußen, Braunschweig, Hannover, Hessen und England. |
1802 |
Die
Kriege Napoleons führen zum politischen Ende des Eichsfeldes. Preußische Truppen rücken in das
Eichsfeld ein und König Friedrich Wilhelm III. nimmt das gesamte bis dahin
geistliche Fürstentum für die Krone Preußens widerrechtlich in Besitz. |
1803 |
Mit
der Annexion des Eichsfeldes folgen die auch in anderen Teilen Deutschlands mit der
Säkularisierung verbundenen Erscheinungen. An den Amtsstuben wird das Mainzer
Rad entfernt und der preußische Adler angeschlagen. Die Männerklöster Gerode,
Zella und Reifenstein werden aufgehoben, das kirchliche Vermögen enteignet. |
1806 |
Am
14. Oktober 1806 verliert Preußen bei Jena und Auerstädt den Krieg gegen Frankreich. Napoleon
ergreift Besitz vom Eichsfeld. 1806 bis 1813 ist das Eichsfeld Teil des von
Napoleon geschaffenen
Königreichs Westfalen, nach dessen Auflösung es wieder
an Preußen kommt. |
1815–1870 |
Der
Wiener Kongress teilt das Eichsfeld. Es entstehen die Kreise Heiligenstadt
und Worbis, die nun zur preußischen Provinz Sachsen gehören. Vom
Untereichsfeld ergreift das Königreich Hannover Besitz. Diese Teilung hat
schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Schon durch die 1802 erfolgte
preußische Annexion waren die traditionellen Absatzmärkte für die
Eichsfelder Textilien weitgehende verloren gegangen. Jetzt ist das Eichsfeld
auch als Wirtschaftsraum zerstört.
Die Dampfmaschine war erfunden worden und die Baumwolle als neuer
Textilrohstoff im Vormarsch. In England beginnt man mit der fabrikmäßigen
maschinellen Produktion von Stoffen. Die Hausweberei im Eichsfeld ist nicht
mehr wettbewerbsfähig und kommt zwangsläufig weitgehend zum Erliegen. Das
Eichsfeld, das aufgrund vorheriger wirtschaftlicher Blütezeit jetzt
übervölkert ist, gerät in eine schwere wirtschaftliche Krise. Der preußische
Staat sieht sich nicht in der Lage, dem Eichsfeld durch gezielte
Wirtschaftsförderung zu helfen und einen Strukturwandel herbeizuführen.
Viele Eichsfelder wandern nach Amerika aus. Andere siedeln sich in
Hannover, Berlin, Braunschweig, Kassel, Frankfurt oder im Ruhrgebiet an, wo
sie Arbeit gefunden haben. Es entstehen die ersten Eichsfelder Vereine in
der Fremde. |
1826 |
Ausbau
der großen Rheinstraße (Teilstück ) Berlin, Kassel, Köln als Kunststraße
(heutige B80). |
1834 |
Ausbau
der Straße von Mühlhausen über Dingelstädt nach Duderstadt ebenfalls als
Kunststraße. |
1867–1898 |
Aufbau
des Bahnnetzes (Strecken: Halle-Kassel, Gotha-Leinefelde, Leinefelde-Treysa,
Leinefelde-Wulften). |
1870/71 |
Nach
dem siegreichen Feldzug gegen Frankreich nimmt der preußische König die
deutsche Kaiserkrone an. Das Zweite Deutsche Reich ist gegründet. In den
damit verbundenen so genannten Gründerjahren entwickeln sich auch im
Eichsfeld Industrie, Handwerk und Gewerbe aber auch die
Wanderarbeiterbewegung. Das Eichsfeld ist nicht mehr zwischen zwei deutschen
Staaten geteilt, jedoch zählt es zu zwei preußischen Provinzen. Der 1816
preußisch gebliebene Landesteil gehört zur Provinz Sachsen, der 1866 wieder
preußisch gewordene Raum Duderstadt zur Provinz
Hannover. |
1914–1945 |
Die
beiden Landkreise bleiben von direkten Kriegseinwirkungen weitgehend
verschont, haben aber unter den Gesamtlasten zu leiden. |
1952 |
Verstaatlichung
der Industrie in großem Stil. |
1960 |
Eichsfeldplan,
Entstehung der Baumwollspinnerei in Leinefelde, Bau des Zementwerkes Deuna,
Organisation der Landwirtschaft in Landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften. |
1972 |
Weitere
Firmen-Verstaatlichungen. |
1990 |
Wiedervereinigung,
die Landkreise gehören zum Land Thüringen. |
1994 |
Die
beiden Landkreise Heiligenstadt und Worbis werden zum Landkreis Eichsfeld
zusammengefasst. Kreisstadt wird Heilbad Heiligenstadt. |
Lein-
und Wollweberei im 17. und 18 Jahrhundert
Die
Herstellung von Textilien hatte schon eine lange Tradition, die weit in das
Mittelalter zurückreichte, als Valentin Degenhard sich 1691 in Großbartloff niederließ. Valentin, aus dem Dorf
Friede im Amte Wannfried gebürtig, hatte als hessischer Dragoner zu Lille in
Flandern die dort übliche Arrasweberei erlernt und fertigte zuerst Serges de
camp, dann andere Tuche und auch feinen Chalon. Von Großbartloff aus verbreitete
sich die Zeugweberei schnell über das ganze Obereichsfeld. Ende des 18.
Jahrhunderts gab es hier über 3000 Wollwebstühle.
Valentins Sohn, Johann Degenhard, erlernte 1718 in einer
königlichen Fabrik zu Berlin die Kunst Etamin zu fertigen. Diese Webart, so wie
der sämtlicher Rasche, war bald auf dem ganzen Eichsfeld verbreitet. Von Bickenriede, wo zuerst Strümpfe gewebt und Kamaschen, Mützen, Westen und
Beinkleider gefertigt wurden, verbreiteten sich diese Arbeiten nach Büttstedt,
Beberstedt und Worbis. Großbartloff, wo Johann Degenhard wirkte und 1748 selbst
Walkmühlen, Färbereien und Pressen anlegte, blieb jedoch immer das Zentrum der
Eichfelder Tuchherstellung. Die von den Leinwebern fabrizierte Leinwand wurde
größtenteils von Eichsfelder Kaufleuten aufgekauft und die Leinwand nach
Süddeutschland, besonders aber nach Hamburg, von wo man sie nach Amerika
verschiffte, weiter verkauft
Im nördlichen und mittleren Eichfeld wandte man sich mehr der
Leineweberei zu. Der Anbau des Flachses und seine Verarbeitung erfolgten zumeist
im Nebenerwerb. Da ein einziger Wollwebstuhl 10 Personen Arbeit verschaffte,
fanden viele tausende von Eichsfeldern Arbeit und Brot in der Woll- und
Leinenherstellung. Das Eichsfeld war eine Hochburg in der Herstellung von
Textilien.
Die Zahl der betriebenen Webstühle war jedoch großen
Schwankungen unterworfen, denn viele Weber waren zugleich Maurer, Zimmerleute,
Schlächter, Tagelöhner oder Feldarbeiter, die, sobald die Manufakturen wenig
Arbeit boten, als Wanderarbeiter in ferne Gegenden, namentlich ins Halberstädt'sche, Magdeburg'sche und in die Altmark, zogen. Zu Beginn des
Winters kehrten sie mit ihren Ersparnissen in die Heimat zurück und
beschäftigten sich dann meist wieder mit der Weberei.
Das Ende der
traditionellen Hausweberei zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Mit der fabrikmäßigen maschinellen Produktion
von Stoffen und der Baumwolle als neuer Textilrohstoff war die traditionelle
Hausweberei im Eichsfeld Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr
wettbewerbsfähig. Sie kam zwangsläufig weitgehend zum Erliegen.
Das Eichsfeld geriet in eine schwere wirtschaftliche Krise und konnte seine in
den wirtschaftlichen Blütezeiten stark gewachsene Bevölkerung nicht mehr
ernähren. Die Verhältnisse in
zahlreichen Eichsfelddörfern waren vergleichbar mit denen in schlesischen
Bergdörfern, wie sie Gerhard Hauptmann in seinem Drama »Die Weber«
schildert. Der preußische Staat sah sich nicht in der Lage, dem Eichsfeld durch
gezielte Wirtschaftsförderung zu helfen und einen Strukturwandel
herbeizuführen. Auch im hannoverschen Teil des Eichsfeldes sah es nicht besser
aus. Um 1850 gab es in Duderstadt nur wenige Arbeitsplätze. Es existierten hier
lediglich ein paar kleine Woll- und Flanellfabriken, eine Cichorienfabrik, eine
Gerberei, zwei Ziegeleien und zwei Brennereien.
Zu Tausenden
wanderten die Eichsfelder hinaus in die Fremde, hinaus auf die Rübenfelder der Magdeburger
und Braunschweiger Gegend, hinaus auf die Ziegeleien und Zuckerfabriken, hinaus
zum mühsamen Hausieren mit Reff und Karren, teils auf mehrere Monate des
Jahres, teils für immer. Man sagte damals im
zeitigen Frühjahr »Wenn der Pfarrer das Evangelium 'Jesus treibt
die Teufel aus' verliest müssen die Eichsfelder aus dem Lande hinaus«.
Aus der Gegend um Worbis und Duderstadt waren etwa 15
000 Männer als Bauarbeiter im norddeutschen Raum unterwegs. Aus Hundeshagen und anderen Orten zogen mit zahlreichen Kapellen und Orchestern
Hunderte von Musikanten quer durch Deutschland bis hinauf ins Baltikum und zum
Zarenhof in St. Petersburg. Aus dem Raum Duderstadt kamen etwa 600 Hausierer,
die mit dem Reff auf dem Rücken von Dorf zu Dorf gingen und ihre Waren
feilboten. Eine
eichsfeldische Redensart sagte zur Wanderung in die Fremde: »Wo die Welt mit Brettern zugenagelt
ist, sitzt noch ein Küllstedter mit seinem Reff dahinter«.
Viele Eichsfelder wanderten damals nach Amerika aus. Andere siedelten sich in
Hannover, Berlin, Braunschweig, Kassel, Frankfurt oder im Ruhrgebiet an, wo sie
Arbeit gefunden hatten. Es entstanden die ersten Eichsfelder Vereine in der
Fremde, von denen es Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland weit über 80
gab.
Handelsmann/Hausierer
mit voll gepackten Reff
um 1880
(Foto: Alfons Richwien/Eduard
Fritze:
Chronik von Wachstedt. Bad Langensalza, 2012)
Auswanderung
Eine im
Landratsamt in Mühlhausen aufbewahrte
nennt 1100 Personen, die in den Jahren 1832 bis
1892 aus den eichsfeldischen Teilen des Mühlhäuser Landkreises nach Amerika
ausgewandert sind.
Die eichsfeldischen Volksschulen in kurmainzischer
Zeit
Die ersten
Notizen, die über eichsfeldische Dorfschulen vorkommen, betreffen evangelische
oder zeitweise evangelische der von Hansteinschen und von Wintzingerodeschen
Gerichtsbezirke. 1565 wird die evangelische Schule in Gerbershausen erwähnt, und
am 31. Mai 1592 bestimmte Valentin Gaßmann aus Arenshausen, dass »dem
Schulmeister zu Hohengandern alljährlich zwei Scheffel Korn gereicht werden
sollten, damit er alle acht Tage in Arenshausen den Katechismus wegen der
unwissenden Jugend übe«. In Weynde wird der »Schulmeister« 1605 erwähnt. Dass
man um diese Zeit wenigstens einige Kenntnisse in der Religionslehre bei jedem
voraussetzte, zeigt die Verordnung des Kurfürsten Johann Schweikart vom 4. Juni
1605. Danach sollte niemand zur Trauung und zur Annahme einer Patenstelle
zugelassen werden, der nicht zuvor eine Prüfung über den Katechismus abgelegt
habe.
Die
Kirchenordnung vom 20 Juni 1624 bestimmte: »In gleichen sollen die Kirchendiener
die Jugend in den Schulen fleißig unterrichten und, da solche Schulen etwa in
Abgang kommen, dieselben wiederumb anstellen und sowohl Sommers als Winterszeit
continuieren«. Bei der Visitation des Archipresbyteratsbezirk Kirchworbis im Mai
1628 waren die Visitatoren, der Jesuit Konrad Otto und der Weltgeistliche
Hermann Underberg, mit den Schulmeistern wenig zufrieden. In Gernrode und Worbis
hatten sie ihre Pflicht nicht getan. In Deuna zeigte sich das Volk auf »Grund
der Nachlässigkeit des Schulmeisters« wenig unterrichtet. Auch in den übrigen
Orten waren die Kinder ungenügend unterrichtet und unwissend.
Wie
anderswo, haben auch die auf dem Eichsfeld viele Lehrer nebenbei noch ein
Handwerk oder die Weberei betrieben. Ihr Einkommen war so gering, dass sie davon
allein nicht leben konnten. Außer Handwerkern wurden auch frühere Soldaten,
Kammerdiener und andere zu Schulmeistern gemacht. Ausgedienten Soldaten wurde
bescheinigt, ob sie als Schulmeister geeignet seien. Nicht selten vererbte sich
das Amt von den Vätern auf die Söhne, sodass es mehrere Generationen in derselben
Familie blieb. Der dürftigen Existenz entsprachen die geringen Leistungen. Der
Unterricht beschränkte sich auf Lesen, Schreiben und Singen. Manche Lehrer
scheinen sich aber auf die Schreibkunst nicht einmal selbst verstanden zu haben.
Zur
Aufbesserung der allzu dürftigen »Schuldienste« setzte der Kurfürst Anselm Franz
1693 ein Kapital von 7500 Gulden aus seiner Privatkasse aus, das vom
erzbischöflichen Kommissariat verwaltet wurde. Da mehrere kleine Orte immer noch
keinen eigenen Lehrer hatten, half der Statthalter Graf von Elz im Jahre 1770
diesem Übelstande durch die Summe von 15 000 Gulden ab. Die Verwaltung des
Geldes lag später in den Händen der 1777 gegründeten Landesschulkommission.
Diese hatte die Oberaufsicht über das ganze Schulwesen. 1802 bestand sie aus dem
Geheimrat von Kaisenberg, dem Regierungsrat Schraut, dem Assessor Beckmann, dem
Aktuar Walpers und dem Pedell Gunkel.
Einen
wichtigen Fortschritt bedeutete die Einführung der Normalschule. In Mainz war
1771 eine Anstalt zur Ausbildung künftiger Lehrer ind Stadt- und Landschulen,
die so genannte Schullehrerakademie, errichtet worden. Nach dem Muster des
Saganer Augustinerabtes Felbiger, des Vaters des katholischen Volksschulwesens,
wurde damals die Normalschule in allen geistlichen Staaten Deutschlands
eingeführt. Da der Unterricht im ganzen Erzstift gleichförmig sein sollte, war
die Einrichtung einer solchen Anstalt auch auf dem Eichsfeld notwendig. Aus der
Mainzer Normalschule wurde der Kandidat Augustin Rambeau nach Heiligenstadt
geschickt, um dort die Leitung der Stiftschule zu übernehmen und eine
Normalschule zu eröffnen.
Die
1778 gegründete Normalschule, nach Felbigers Definition so genannt, weil sie die
Richtschnur (norma), das Muster aller übrigen Schulen im Lande sein sollte, ist
die Vorgängerin des späteren Schullehrerseminars und war an eine Volksschule
angegliedert. Anfangs wurden die schon im Amte stehenden Lehrer in ihr
fortgebildet, später auch andere junge Leute für ein künftiges Lehramt
vorbereitet. Doch begannen die zukünftigen Lehrer ihre Ausbildung damit, dass
sie bei einem alten Schulmeister in die Lehre gingen und ihm bald die
Berufsarbeit ganz oder teilweise abnahmen. Die Normalschule war so eingerichtet,
dass sich die Lehrer mindestens ein halbes Jahr lang allwöchentlich in
Heiligenstadt einfanden und dort ein paar Tage verweilten. Die Unterweisung des
Normallehrers erstreckte sich auf die Lehrfächer der Landschulen, »Lebensklugheit«,
d.h. richtiges Verhalten gegen die Obrigkeiten und die Gemeindeamtsmitglieder,
und Technik des Unterrichts. Befähigte Kandidaten lernten auch etwas
Geographie, Naturgeschichte, Gesundheitslehre, Ökonomie (besonders Baumzucht)
und praktische Geometrie. Nach Schluss des Kursus fand eine Prüfung statt, über
die Zeugnisse erteilt wurden. Künftig sollte keiner mehr zu einem Lehreramte
gelangen, der sich nicht in der Normalschule als geeignet erwiesen habe. Die
Kandidaten kehrten dann aufs Land zurück und übten sich gelegentlich im
Unterrichten. Wurden Lehrerstellen frei, so meldeten sie sich sie sich beim
Kommissariat, in dessen Hand die Besetzung lag.
Im
Jahre 1780 erließ Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal eine Schulordnung,
die in sehr nachdrücklicher Weise den Schulbesuch einfordert und auch zur
Erntezeit sollte wenigstens ein zweistündiger täglicher Unterricht erteilt
werden. 1802 gab es in den drei Städte und 151 Flecken und Dörfern 159
Volksschullehrer. Das Schuleinkommen setzte sich sehr verschieden zusammen: aus
Ländereien, Körnerfrüchten, Stiftungen, Schulgeld, Sprengelgeldern,
Sprengelbroten, Gebühren bei Taufen, Hochzeiten und Begräbnissen, Holzgeld,
Neujahrsgeld, Brot und Würsten, Käse und Eiern etc. Die Schulgebäude, fast
durchweg kirchliche Küstereien, waren in dürftigster Verfassung. Das Schulzimmer
war vielfach zugleich Wohn- und Schlafraum der Lehrerfamilie und beherbergte
vielerorts auch noch einen Webstuhl. Der großenteils sehr geringen
Lehrerbesoldung entsprachen die geringen Leistungen. Als Preußen die Herrschaft
des Eichsfeldes übernahm, fand die neue Regierung von den 159 Lehrern nur 77
mehr oder weniger zu loben. Viel wurde nicht gelehrt: Den Religionsunterricht
erteilten die Geistlichen, die Lehrer sollten den Kindern Lesen, Schreiben,
Rechtschreibung und Rechnen beibringen.
Landschullehrer 1803
Eichsfelder im
Westfälischen Regiment
Als Vasallenstaat
des französischen Kaiserreichs wurde das Königreich Westfalen durch Dekret vom 18.
August 1807 aus dem Herzogtum Braunschweig, Kurhessen (ohne Hanau,
Schmalkalden und Nieder-Katzenelnbogen), den preußischen Gebietsteilen
Altmark, Magdeburg, Halberstadt, Hohnstein, Hildesheim, Goslar,
Quedlinburg, Eichsfeld, Mühlhausen, Nordhausen, Paderborn, Minden, Ravensberg, Münster und Stolberg-Wernigerode, den hannöverschen Gebieten
Göttingen, Grubenhagen, den Harzdistrikten und Osnabrück, dem sächsischen
Anteil der Grafschaft Mansfeld und den sächsischen Ämtern Gommern,
Querfurt, Barby und Treffurt, dem Gebiet von Korvei und der Grafschaft
Kaunitz-Rietberg gebildet. Sein Gebiet umfasste 37 883 km² mit fast 2
Millionen Einwohnern.
Für
das Königreich Westfalen errichtete Napoleon ein neues Regiment, das
»Westfälische« mit vier Bataillonen. Offiziere und Soldaten sollten zur
Hälfte ausschließlich aus dem Harzdepartement, zu dem auch das Eichsfeld
gehörte, genommen werden. Die meisten Soldaten aus dem »Westfälischen Regiment«
rückten mit der Armee Kaiser Napoleons im 8. Korps unter General Vandamne
in Russland ein und kaum ein Zehntel davon kehrte wieder zurück. Ein Teil
davon wurde, da Napoleon von allen unterworfenen Staaten Preußen am
wenigsten traute, zur Besatzung der Festungen oder zum Garnisonsdienst
bestimmt. Bereits im Mai 1812 stellten einige Infanterie-Regimenter die
Löhnung ein, zuletzt am 16. August 1813 das 8. Westf. Infanterie-Regiment.
Die ausstehenden Löhnungen von Eichsfelder Soldaten, die nicht am
Rußland-Feldzug teilnahmen, finden wir in den Akta der
Schuldforderungen pp. an das Westfälische Gouvernement Tit. XI. Nr. 2 Fach
546 Landratsamt Mühlhausen. Die Akte listet Soldrückstände ehemaliger
Soldaten aus dem Kreis Mühlhausen und dem Eichsfeld auf, die bis 1812 im
»Westfälischen Regiment« gedient hatten.
Literatur
|
Bibliographie des Eichsfeldes : Teil 1 u. 2 ; die
heimatkundliche und geschichtliche Literatur des Eichsfeldes bis 1933.
Unveränderter. Nachdruck d. Verzeichnisse von Kl[emens] Löffler (1915)
u. Chr[istian] Oberthür (1934/35). Duderstadt : Mecke, 1978. (=
Eichsfelder Heimatstimmen ; 2). |
|
Duval, Carl: Das Eichsfeld oder historisch-romantische
Beschreibung aller Städte, Burgen, Schlösser, Klöster, Dörfer und sonstiger
beachtungswerther Punkte des Eichsfeldes. Sondershausen : Eupel, 1845. |
|
Gerlach, Vinzenz: Geschichtlicher Überblick. In: Das Eichsfeld. Hannover,
1985. (= Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische
Bildung : Landschaften Niedersachsens und ihre Probleme ; 4), S. 31-53. |
|
Die Kirchen im Eichsfeld.
Kirchen und Kunstführer. 2., bearb. u. erw. Aufl. Hrsg. vom Verein für
Eichsfeldische Heimatkunde e.V. u. vom Heimatverein Goldene Mark
(Untereichsfeld) e.V. Duderstadt: Mecke, 2011. |
|
Schäfer, Karl Heinrich: Zur Geschichte des
Bildungswesens auf dem Eichsfelde. In: Unser Eichsfeld 34 (1939), S. 170-182. |
|
Löffler, Klemens: Aus der Geschichte der eichsfeldischen Volksschulen in kurmainzischer Zeit. In: Unser Eichsfeld 11
(1916), S. 65-71, 119-127 (Beilagen). |
|
Stand: November 2012
Klaus Gottsleben
Copyright © gottsleben-genealogie.de/com
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